Druckschriften zum Reichstag 1521

Druckschriften zu Luthers Verhör und seiner  Widerrufsverweigerung am 17./ 18. April 1521

Der kirchliche Prozess gegen Martin Luther war bereits vor dem Verhör auf dem Reichstag mit der Exkommunikation auf der Grundlage der Bannandrohungsbulle Exsurge Domine (15. Juni 1520), in der 41 Irrtümer („errores“) aus Luthers Schriften aufgeführt sind, und der folgenden Bannbulle Decet Romanum Pontificem (3. Januar 1521) abgeschlossen. Aus Sicht der römischen Kurie erübrigte sich damit die Vorladung des ‚Ketzers‘; der päpstliche Nuntius Aleander drängte den Kaiser und die in Worms versammelten Reichsstände, Luthers Werke verbrennen zu lassen und den Kirchenbann zu exekutieren. Für die Stände, besonders Luthers Landesherrn Friedrich den Weisen, war die Rechtslage nicht so eindeutig. Nach sächsischem Recht folgte dem Kirchenbann nur dann die kaiserliche Ächtung, wenn der Gebannte vor einem weltlichen Gericht nicht beweisen konnte, dass die Kirchenstrafe gegen ihn zu Unrecht verhängt worden war. In der Wahlkapitulation von 1519 hatten die Reichsstände Karl V. einen ordentlichen Prozess als Bedingung für die Reichsacht abgerungen. Für Karl V., der sich als Advocatus et Defensor Ecclesiae in die Tradition seiner Vorgänger stellte, stand aber von vornherein fest, dass Luther seine päpstlich bereits verurteilten Lehren widerrufen musste, andernfalls die Reichsacht unabwendbar war. Eine theologische Disputation, ein wissenschaftliches Streitgespräch über Luthers ,Thesen‘, die er verschärft - und in Abweichung von seiner 1518/19 noch vertretenen Meinung über den Ablass und die Autorität von Papst, Kirche, Konzilien, Universitäten und kirchlichem Recht - 1520 in De captivitate und in der Assertio, der Stellungnahme zu den in Exsurge Domine verurteilten Artikeln, dargelegt hatte, war nicht vorgesehen. - Mit Vertretern der Reichsstände fand eine im Ergebnis erfolglose Disputation nur in Ansätzen nach dem Auftritt vor dem Reichstag am 24. April in der Herberge des Trierer Kurfürsten und Erzbischofs Richard von Greiffenklau und am 25. April in Luthers Herberge im Johanniterhof statt.

Bei seinem ersten Verhör am 17. April wurde Luther im Auftrag Karls V. von Johannes von der Ecken, dem Offizial des Trierer Erzbischofs, nur die kurz und bündige Antwort auf zwei Fragen zugestanden: (1.) Ob er sich zur Autorschaft der ausliegenden Schriften bekenne und (2.) ob er bereit sei, deren Inhalt zu widerrufen. Wie von der Ecken abwechselnd deutsch und lateinisch redend, stand Luther zur Autorschaft der ausliegenden Schriften.

Für die Beantwortung der zweiten Frage erbat sich Luther Bedenkzeit, die ihm nach einer Beratung des Kaisers und der Fürsten mit der Bemerkung gewährt wurde, eigentlich habe er aufgrund seiner Vorladung wissen sollen, weshalb er zitiert worden sei. Doch aufgrund der kaiserlichen Vorladung vom 6. März, „der Leren und Buecher halben, so ain zeither von dir ausgeganngen sein, erkundigung von dir zuempfahen“ (WA B 2, 480,2-6), fühlte sich Luther von der kategorischen Forderung nach Widerruf ‚überrumpelt‘.

In seiner am Vorabend vorbereiteten, am Abend des 18. April frei vorgetragenen Rede bekannte sich Luther nochmals zu seinen Schriften, sofern ihm keine veränderten Drucke unterschoben worden seien. (Offenbar wurde ihm offenbar keine Zeit eingeräumt, den Inhalt der Drucke, von denen nur die Titel ausgerufen wurden, näher auf Authentizität hin zu überprüfen. Das war nicht unproblematisch, da es kein Urheber- oder Verlagsrecht gab, mithin jedermann Luthers Schriften nachdrucken und ‚fälschen‘ konnte. Honorare hat Luther nie von den Druckern seiner Schriften bzw. Bibelübersetzungen erhalten oder eingefordert.)

Luthers Verteidigungsrede

Seine Schriften teilte Luther in drei Kategorien: 1. Bücher, in denen der rechte Glauben und die rechten Sitten „schlicht und evangelisch“ abgehandelt werden, so dass sogar seine Gegner sie für fruchtbar und würdig zu lesen fänden; 2. Schriften gegen das Papsttum, in denen sich Luther auf die Bibel, die Kirchenväter sowie die Kirchenkritik aus dem Reich, dokumentiert in den Gravamina (die seit 1456 gesammelten Beschwerden gegen die römische Kurie), und im Einzelfall sogar auf das kanonische Recht berief; der Widerruf dieser Schriften bedeute die Kapitulation vor dem Papsttum. 3. Was seine Schriften gegen einzelne römische Theologen beträfe, habe er sich vielfach im Ton vergriffen, doch in der Sache seien diese Schriften nicht zu widerrufen. Luther appellierte an den Kaiser, die Verunglimpfungen durch seine römischen Gegner nicht zu akzeptieren.

Nach einer kurzen Beratung mit dem Kaiser forderte von der Ecken Luther zu einer definitiven Antwort auf, ob er zum Widerruf bereit sei oder nicht. Luther antwortete: solange sein Gewissen durch das Wort der Schrift gefangen sei, könne er nicht widerrufen. „Denn es ist unsicher und bedroht die Seligkeit, etwas gegen das Gewissen zu tun. Gott helfe mir. Amen.“ (Nach WA 7, 838,7f.; 877,4-6)

Rainer Wohlfeil: Der Wormser Reichstag von 1521, in: Der Reichstag zu Worms von 1521. Reichspolitik und Luthersache hrsg. von Fritz Reuter, Worms 1971, S. 59-154
Thomas Kaufmann: Geschichte der Reformation, Frankfurt am Main/Leipzig 2009, S. 291-294

Volltext von Luthers Rede in Deutsch  

Der Verlauf von Luthers Verhör am 17./18. April 1521 und seine Widerrufsverweigerung sind in zahlreichen Flugschriften überliefert, die noch im selben Jahr erschienen sind.
Allein sieben deutsche Ausgaben und eine lateinische Ausgabe befinden sich in der Wormser Luther-Bibliothek.

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