[Straßburg] : [Johann Schott], 1521. - [90] Bl. : Ill. (TE., H.) ; 4°
Vorlageform des Erscheinungsvermerks (Bl. 3v): im ... M.CCCCC. vnd einvndzweintzigsten.
Enth.: Fieber das ander. (VD16 H 6345) Die Anschauenden.
(VD16 H 6364) Wadiscus oder die römische Dreifaltigkeit. (VD16 H 6412)
Bibliograph. Nachweis: D. Johannes: Luther-Bibliothek, Nr. 509; VD 16 H 6342
Stadtbibliothek Worms / Luther-Bibliothek, Signatur: -Mag- LB 401
Link zum Volltext: (Exemplar der Bayerischen Staatsbibliothek München)
Früh galt der frühverstorbene Reichsritter und Humanist Ulrich von Hutten (1488–1523) als „Held der Reformation“. Die Verehrung als weltlicher Partner des Theologen Luther, die ihren Höhepunkt im 19. Jahrhundert erreichte, geht maßgeblich auf Hutten selbst zurück. Wenn Hutten die reformatorischen Ereignisse aus humanistischer Sicht zunächst auch ignoriert hatte, so forderte er Luther im Jahre 1520 in einem öffentlichen Schreiben, der Epistola ad D. Martinum Lutherum , zu einem Bündnis und gemeinschaftlichem Handeln im Kampf gegen das Papsttum auf.
Das Bündnis mit Luther bildet die letzte Phase von Huttens langwierigem Kamp gegen Rom. In der Tradition des reichspatriotischen Humanismus von Conrad Celtis (1459–1508) und Heinrich Bebel (1472? –1518) stand bereits Huttens Carmen heroicum über die moralische Integrität Deutschlands (1511, verstärkt in der zweiten Fassung von 1518). Sein Engagement gegen den Papst hatte er in den politischen Epigrammen verstärkt, die er während seines ersten Italienaufenthalts (1512/13) verfasst und Kaiser Maximilian I. dediziert hatte. Die Italienreise von 1516, die ihm ausgerechnet sein Gönner Albrecht von Brandenburg (1490–1545) ermöglichte, der als Erzbischof von Mainz zur Zielscheibe der Reformatoren wurde, bestärkte Hutten in seiner nun moralsatirischen Ablehnung der römischen Kurie. In seinem Epigramm-Zyklus De statu Romano (1516/17) brandmarkte er sie aus kulturpatriotischer Perspektive als korrupte Institution. Nach seiner Rückkehr aus Italien nationalisierte und personalisierte Hutten seine publizistische Kampagne gegen den Papst. Die ethnozentrische Wende in Huttens Werk um 1520 zeigt sich in der wirkmächtigen Entdeckung des Cheruskerfürsten Arminius im gleichnamigen Dialog (1519), in der Aufgabe des Lateins im programmatischen Ain new lied (1521) („Ich habs gewagt mit sinnen“) und schließlich im Bündnis mit dem Reformator Martin Luther.
Der Titelholzschnitt
Huttens Allianz mit Luther illustriert der Titelholzschnitt seines Gespräch büchlin (1521). Es enthält die deutschen Versionen vier antipapistischer Dialoge, die Hutten auf der Ebernburg seines Freundes und Standesgenossen Franz von Sickingen (1481–1523) verfasst hatte. Die reformatorische Tendenz des wohl von Hans Baldung Grien (1484? –1545) gestalteten Titelblattes ist unverkennbar. Auf dem vertikal gegliederten Holzschnitt ist oben die himmlische Sphäre dargestellt, während die Mitte mit Titulus von Luther und Hutten flankiert wird. Die untere Ebene präsentiert den Papst, kenntlich an der Tiara, der mit seinen „Romanisten“ und „Curtisanen“ (Kardinäle, Bischöfe, Mönche) von einem deutschen Heer – Landsknechte mit Lanzen und ein Ritter zu Pferd sind zu erkennen – zur Flucht genötigt wird. Den Zusammenhang der drei Bildebenen stellen die vier Schilde in den Ecken des Holzschnitts her, welche in Form einer Ahnenprobe Huttens Adel verbürgen.
Dass Huttens „Pfaffenkrieg“ und sein Bündnis mit dem Reformator göttlichem Willen entsprechen, bekunden die Halbfiguren der umwölkten himmlischen Sphäre: König David mit Harfe hält Gottvater, der bereits einen Pfeil auf die „Romanisten“ richtet, eine Tafel mit dem zweiten Vers aus Psalm 93 entgegen: „Exaltare qui iudicas terram, redde retribut[um] superbis“ – „Erhebe dich, der du die Erde richtest, zahle Vergeltung den Übermütigen“. Damit korrespondiert Ps 25,5 unter dem Titulus: „Odivi ecclesiam malignantium“ – „Ich hasste die Versammlung der Boshaften“. Luther in Mönchskutte und Hutten in Ritterrüstung, jeweils in ganzer Figur dargestellt, sind durch ihre Wahlsprüche als Vertreter des göttlichen Willens bezeichnet. Luther zugeordnet ist der Spr 8,7: „Veritatem meditabitur guttur meum“ – „Mein Mund redet die Wahrheit“, Huttens eigenes Motto lautet: „Perrumpendum est tandem, perrumpendum est“ – „Es muss endlich überwunden werden, es muss überwunden werden“.
Wie sehr das Bündnis mit Luther Huttens antipäpstliche Satire des Gespräch büchlin prägt, zeigt sich nicht nur im Titelholzschnitt. Urichs von Hutten beschluß red ist ein poetisch-programmatisches Bekenntnis zur Wahrheit: „Allein ich alles hab gethan | dem vatterland zu nutz und gut | Die warheit mich bewegen thut“. Auf Huttens Devise „Ich habs gewagt“ folgen noch einmal in Paralleldruck die beiden Bildnisse von Luther und Hutten, die schon den Titulus im Frontispiz rahmen.
Zwei jeweils vierversige Rollengedichte, die unter den Porträts
stehen, stimmen in der bekenntnishaften Verpflichtung auf „Warheit“ und auf
„Gott“ überein, unterscheiden sich aber in der Wahl der Mittel: „Warheit die
red ich“, heißt es bei dem Mönch Luther, der die Heilige Schrift hält, „Vmb
Warheit ich ficht“, spricht der Ritter Hutten, der mit der Rechten den Knauf
seines Schwertes fasst. Diese Bild-Text-Parallelisierung inszeniert nicht nur
eine komplementäre und gleichrangige Rollenverteilung von Lehre und Kampf,
sondern begründet im gleichrangigen Nebeneinander von Luther und Hutten auch
dessen Nachruhm als heroischer Vorkämpfer der Reformation.
Achim Aurnhammer, in:
Virtuelle Ausstellung Luthermania –
Ansichten einer Kultfigur / Forschungsverbund Marbach, Weimar,
Wolfenbüttel, Kat.Nr. 41 Link zu Luthermania
Franz von Sickingen
In der Widmungsvorrede des Gespräch
büchlin werden Franz von Sickingens
Burgen, darunter die Ebernburg, als „Herbergen
der Gerechtigkeit“ gepriesen. Nachdem ihm der Kirchenbann angedroht worden
war, hielt sich Hutten von September
1520 bis Mai 1521 auf der Ebernburg auf.
Während dieser Zeit übersetzte der von Kaiser Maximilian I. 1517 auf dem
Reichstag zu Augsburg zum Poeta laureatus
gekrönte Humanist seine zunächst in Latein publizierten Dialoge in die
Volkssprache, möglicherweise mit
Unterstützung durch Martin Bucer (1491-1551), der als ‚entlaufener‘ Dominikaner
auf der Ebernburg Zuflucht gefunden hatte;
Anfang 1521 wurde in Straßburg die deutsche Erstausgabe gedruckt: Die
Missstände der Kirche sollten für jedermann verständlich offengelegt werden.