- [Wien] : [Johann Singriener d.Ä.], 1521. - [4] Bl. : Ill. (Hs.) ; 4º
Einheitssachtitel: Ad Cesareae Majestatis interrogata responsum, Wurmicae, 18. Aprilis anno 1521
Bibliograph. Nachweis: D. Johannes: Luther-Bibliothek, Nr. 109; Benzing 927, VD16 L 3663
Stadtbibliothek Worms / Luther-Bibliothek, Signatur: -Mag- LB 87b
Link zum Volltext : (Exemplar der Stadtbibliothek Worms)
Diese Ausgabe der Lutherrede vom 18. April erschien bei
Johann Singriener d.Ä., der von 1510 bis 1514 mit Hieronymus Vietor und dann
als Alleinunternehmer bis zu seinem Tode Ende 1545 in Wien über 500 Schriften
aus allen Wissenschaftsgebieten in Latein, Deutsch, Ungarisch, Französisch
sowie in Griechisch und Hebräisch (mit entsprechenden Drucktypen) druckte. Vorangestellt
ist ein Holzschnitt mit dem Lutherporträt nach dem Kupferstich von Lucas
Cranach (1520) mit der Unterschrift AETERNA IPSA SVAE MENTIS SIMVLACHRA
LVTHERVS / EXPRIMIT AT VVLTVS CERA LVCAE OCCIDVOS (= Luther selbst hat die Zeugnisse seines
Geistes verewigt, wogegen Lucas’ Darstellung vergänglich ist.)
Die Widerrufsrede endet in der Wiener Flugschrift mit einem kurzen Dialog zwischen Johannes von der Ecken und Luther: „Official. - Martine würdestu nichts widerrüffen. so wirt man güts vnd böß. beyeinander lassen. vnd mit ainander vnterdrucke[n]. sunst wurde etlichs bleyben dan das vor zyten in[n] den Concilien verdampt ist, soll nymer disputiert werden, du würst nit bezeugen, das die Concilien geirrt haben. - Luther. - Es mögen die Co[n]cilien irren, vnd haben geirrt, das lygt am tag, vnnd wils beweysen. Got kum[m] mir zu hilff. Amen. Da bin ich. - Auff das gieng Doctor Mart. Lutther mit den Sächsischen hynweg, vnd Kay. Maies. Churfursten vnd Fursten stunden auch auff.“
Die ,Nachverhandlung‘ in der Herberge des Trierer Erzbischofs Richard von Greiffenklau
Im Schlussabsatz wird auf die ,Nachverhandlung’ eingegangen, die die Reichsstände dem Kaiser am 22. April abringen konnten: „Aber des andern vnnd dritten tags darnach, ist Doctor Martiuus Luther verrer gehört, vn[d] mit im disputiert worden, mit verschloßnen thüren im[m] Ratt, vor dem Durchleüchtigsten, Hochwirdigesten Fürsten vnd herrn. etc. Marggraff Joachim vonn Brandenburgk Churfurst. Reinhart Bischoff zu Trier Churfurst. Hertzog Jörg von Sachsen. Bischoff vonn Branndenburg. Bischoff von Augspurgk, vnd andre mer. Jst aber nichts anders auß jm bracht worde[n], dan[n] allayn, das er in[n] dem seinen, ain man voller warhait erkant wirdt. Vnd darnach auf Kay. May. schrifftlichen abschyd, der im jn sein herberg gesant ward. Von Wormbs er vnd sein e beyständer am xxiiij. tag des Aprils widerumb anhaym gen Wittenburg gefaren.“
Wie steht es mit der historischen Zuverlässigkeit der zeitgenössischen Berichte?
Die historische Unzuverlässigkeit zeitgenössischer Flugschriften, die
schnell verfasst, (in diesem Fall weit entfernt vom Ort des beschriebenen
Geschehens) gedruckt und in Umlauf gebracht wurden, zeigt sich allzudeutlich:
Luther reiste nicht am 24. April, sondern erst am 26. April aus Worms ab. Und
die ,Nachverhandlung’ fand nicht „des andern vnnd dritten tags“ nach Luthers
Auftritt vor Kaiser und Reich statt, sondern erst am 24. April in der Herberge
des Trierer Erzbischofs. Von den Teilnehmern der Verhandlung werden nur die
höchstrangigen Ständevertreter - Kurfürsten, Bischöfe und Herzog - namentlich
erwähnt, nicht dagegen der Deutschordensmeister Dietrich von Cleen, der Graf
von Wertheim, der badische Kanzler Dr. Hieronymus Vehus, Dr. Hans Bock und Dr.
Konrad Peutinger als Vertreter des Reichsstädte Straßburg und Augsburg, Luthers
Reisebegleiter und Ratgeber aus Sachsen und Thüringen, unter ihnen Hieronymus
Schurf, Nikolaus von Amsdorf und Justus Jonas, sowie die in der folgenden
Sondersitzung hinzugezogenen Lutherkontrahenten Johannes von der Ecken und
Johannes Cochläus. Es wird in der Flugschrift behauptet, Luther sei nun
„verrer“ (fairer) verhört worden und es sei „mit im disputiert worden“, was ihm
ja beim Verhör vor dem Kaiser verweigert worden war.
Es kam zu einer hitzigen Auseinandersetzung mit Cochläus und von der Ecken,
besonders über die Autorität der Konzilien. Luther ließ sich jedoch auch in
einem abschließenden Vieraugengespräch mit dem Trierer Erzbischof, der - wie
Aleander berichtet - ihm im Falle des Widerrufs ein Priorat in seinem
Kurfürstentum versprochen haben soll, nicht zum Einlenken bewegen.
Zur ‚Nachverhandlung‘ ausführlich Aloys Schmidt: Der Trierer Kurfürst Erzbischof Richard von Greiffenklau und die Auswirkung des Wormser Edikts in Kurtrier, in: Der Reichstag zu Worms von 1521. Reichspolitik und Luthersache hrsg. von Fritz Reuter, Worms 1971, S. 271-315, hier: S. 277-288