De Captivitate Babylonica Ecclesiae, Præludium Martini Lutheri

6_De Captivitate_
6_De Captivitate_

(14.) Aleander: „De captivitate Babilonica“ = De captivitate Babylonica ecclesiae, praeludium, (1520)
(WA 6, 497-573)

De Captivitate Babylonica Ecclesiae, Præludium Martini Lutheri. – Wittenberg : [Melchior Lotter d.J.], [1520],
[44] Bl. : Ill. (Titeleinfassung) ; 4°
Vorlageform des Erscheinungsvermerks: Viuttembergae.

Bibliograph. Nachweis: D. Johannes: Luther-Bibliothek, Nr. 59; Benzing 704, VD16 L 4189
Stadtbibliothek Worms / Luther-Bibliothek, Signatur: -Mag- LB 45

Die für ein theologisches Fachpublikum ursprünglich in Latein verfasste Schrift gehört zusammen mit der Adelsschrift und der Freiheitsschrift (beide in Deutsch in der Erstausgabe) zu denjenigen Schriften, die Luther 1520 unter dem Eindruck des auf die Bannandrohungsbulle zulaufenden Prozesses schrieb. In allen drei Schriften greift Luther die päpstliche Macht an. Die Verbreitung von De capitivate auf dem Wormser Reichstag schon vor dem Eintreffen Luthers geht aus einem Brief hervor, den der westfälische Humanist Hermann von dem Busche (1468-1534), Leiter der Lateinschule zu Wesel, aus Worms an Ulrich von Hutten schrieb (5. Mai 1521): Als einige Spanier versuchten, einem Buchführer (Wanderbuchhändler) vor dem Bischofspalast 80 Exemplare von De captivitate zu entreißen, seien sie von den Umstehenden zur Flucht in den Palast gezwungen worden.

In De captivitate wendet sich Luther gegen die theologische Grundlage der Autorität des Papstes, der die Kirche in Gefangenschaft hält und die christliche Freiheit nicht zulässt.

Luthers Sakramentenlehre

Luther bestreitet hier zum ersten Mal die Siebenzahl der Sakramente. Nur drei von ihnen lässt er anfänglich stehen: Buße, Taufe und Abendmahl. Der Schrift nach soll man aber eigentlich nur von einem Sakrament und drei sakramentalen Zeichen sprechen. Am Schluss wird die Zahl konsequenterweise auf zwei reduziert, weil ein Sakrament als eine göttliche Verheißung von Gottes Gnade, verbunden mit einem von Gott gestifteten äußeren Zeichen definiert wird, und eben das fehlt bei der Buße.

Das Abendmahl - die drei ‚Gefangenschaften‘

Im Abendmahlsteil werden drei „Gefangenschaften“ kritisiert: (1.) der fehlende Genuss beider Elemente durch die Laien, (2.) die verwirrende Lehre von der Transsubstantiation und (3.) die Umformung eines Sakraments des göttlichen Gebens in ein Ritual des menschlichen Opfers. Der römische Hinweis auf Joh 6 (Speisung der Fünftausend mit Brot und Fisch) als abendmahlsrelevantem Beleg wird abgelehnt. Enthält der Priester dem Laien den Wein vor, macht er sich selbst zum Sünder. Ungeachtet dessen aber haben die Laien in jedem Falle Anteil am Heil durch den Glauben und die Sehnsucht nach dem Sakrament. Deswegen ist Luther auch dafür offen, dass man nicht sofort das vollständige Sakrament mit Brot und Wein einführt. Luther führt hier erstmals den im Sermon von dem Neuen Testament von 1520 angesprochenen Zusammenhang zwischen ‚promissio‘, verstanden als rechtskräftige Zusage mit sofortiger Wirkung, und ‚fides‘ aus. Hervorgehoben wird, dass nicht das Sakrament in sich selbst rechtfertigt, sondern der Glaube an das Verheißungswort des Sakraments: „Non sacramentum, sed fides sacramenti iustificat“.
[Nach der – etwa vom Tridentinischen und Zweiten Vatikanischen Konzil bestätigten katholischen Lehre - wirkt dagegen das Sakrament, so auch die Eucharistie, Ex opere operato (lat. für „durch die vollzogene Handlung“), d.h. unabhängig von der Einstellung dessen, der zum Vollzug des Sakraments berechtigt ist (beim Abendmahl allein der Priester kraft seiner sakramentalen Weihe als Stellvertreter Christi), und unabhängig von der inneren Haltung dessen, an dem und für den es getan wird.]

Die Taufe


Auch bei der Taufe ist die Verheißung am wichtigsten. Sie macht alle Christen gleich und kann nicht durch andere Gelübde relativiert werden. Vor allem aber wirkt durch dieses Sakrament Gott allein. Die Bedeutung der Taufe als Tod des alten und Auferstehung des neuen Adam hört niemals auf. Nur Unglaube kann den Mensch hiervon scheiden. Genau hier liegt die Funktion der Buße. Sie ist nicht abgeschafft, sondern wird als Rückkehr zur Taufe präzisiert. Vollständig realisiert wird die Bedeutung der Taufe erst in der Auferstehung.

Die Buße

In Bezug auf die Buße wird kritisiert, dass Reue wichtiger als Glaube geworden sei; der Zwang zu einem vollständigen Schuldbekenntnis wird abgelehnt. Die Beichte selbst wird aber als gute Ordnung festgehalten.

Firmung, Ehe, Priesterweihe und Letzte Ölung werden als Sakramente abgelehnt. Die Ehe wird dadurch zur weltlichen Ordnung mit göttlicher Rechtsgültigkeit, die vor ehefeindlichen Gesetzen geschützt werden muss. Luther gibt pragmatische Ratschläge für das eheliche Leben. Im Abschnitt über die Weihe wird festgestellt, dass alle Getauften im gleichem Maß Priester seien. Die Ordination selbst ist lediglich ein Ritual für die Ernennung eines Predigers.

Bo Kristian Holm: Art. De captivitate Babylonica ecclesiae praeludium, in: Das Luther-Lexikon hrsg. von Volker Leppin und Gury Schneider-Ludorff, 2. unveränd. Aufl., Regensburg 2015, S. 153f.

14_Von der Babylonischen gefengknuß
14_Von der Babylonischen gefengknuß

Von der Babylonischen gefengknuß der Kirchen, Doctor Martin Luthers . [Übers.: Thomas Murner]

[Straßburg] : [Johann Schott], [1520]. - [72] Bl. : Ill. (Titelholzschnitt, Holzschnitt) ; 4°

Bibliograph. Nachweis: D. Johannes: Luther-Bibliothek, Nr. 94; Benzing 712, VD16 4194
Stadtbibliothek Worms / Luther-Bibliothek, Signatur: -Mag- LB 34a

Link zum Volltext(Exemplar der Bayerischen Staatsbibliothek)

Übersetzer der im Dezember 1520 erschienenen deutschen Ausgabe war der elsässische Franziskaner Thomas Murner. Er wollte damit die Öffentlichkeit vor der neuen Lehre warnen, was dem arglosen Straßburger Johann Schott nicht bewusst war, denn zu diesem Zeitpunkt war Murner noch nicht als Luthergegner hervorgetreten. Die bloße Übersetzung schien Murner hinreichend, um Luther als Häretiker zu entlarven. Luthers Ordensbruder Michael Stifel beklagte sich hingegen, Murner habe in seiner Übersetzung „meer gefelscht dan geteüscht.“ ( Antwort uff doktor Toman Murnars murnarrische phantasey… Straßburg : Knobloch 1523, VD16 S 9005).

Der vom Drucker beigefügte Holzschnitt auf dem letzten Blatt, der zwei sich in den Rücken beißende Hunde zeigt, wird von einer kommentierenden Erläuterung zu den Konflikten um Luther begleitet: „Mit gewalt man gwalt vertriben soll, / Das schint an dißen hunden wol. / Bey gwalt vernunfft hat keinen platz. / Christus macht frid, der teufel hatz.“

vgl. Thomas Kaufmann: Die Mitte der Reformation. Eine Studie zu Buchdruck und Publizistik im deutschen Sprachgebiet, zu ihren Akteuren und deren Strategien, Inszenierungs- und Asudrucksformen, Tübingen 2019 (Beiträge zur historischen Theologie ; bd 187(, S. 267-269

Frühe Lutherporträts

Die lateinische und die beiden deutschen Ausgaben von De capitivitate, die von Johann Schott (1477-1548) in Straßburg gedruckt wurden, zeichnen sich durch ein Bildnis Luthers als Frontispiz aus.

„In Augsburg verkaufte man vor einiger Zeit das Bild Luthers mit dem Heiligenscheine, hier wurde es ohne denselben feilgeboten und zwar unter so großem Zudrang, daß im Nu alle Exemplare verkauft waren, ehe ich mir eines verschaffen konnte“ (Paul Kalkoff: Die Depeschen des Nuntius Aleander vom Wormser Reichstage 1521, Halle 1886, S. 51) , berichtete Aleander am 8. Februar 1521 von Worms nach Rom.

Ein Jahr zuvor, im Januar oder Februar 1520, hatte sich Albrecht Dürer bei dem kurfürstlichen Rat Georg Spalatin für die Zusendung einiger Luther-Drucke bedankt und bei der Gelegenheit die Hoffnung ausgedrückt, Luther einmal porträtieren und in Kupfer stechen zu können. Dürer, der prominenteste Künstler im Land, war durch aktuelle kaiserliche Aufträge wie dem Bildnis Maximilians in druckgrafischer ‚Propaganda‘ geübt. Er befand sich allerdings seit dem Sommer in den Niederlanden und bemühte sich bei Kaiser Karl V. um die Erneuerung seiner Leibrente, weshalb ein sächsischer Auftrag – abgesehen von den praktischen Schwierigkeiten – nicht opportun gewesen wäre.

Lutherporträt, frühes
Lutherporträt, frühes
Lutherportraet, fruehes
Lutherportraet, fruehes

So kam der sächsischen Hofmaler Lucas Cranach zum Zuge. Sein erster ausgeführter Entwurf zeigt den 37-jährigen Theologieprofessor im Dreiviertelprofil. Ein fester Strich trennt seinen Umriss von dem unbestimmten, leeren Hintergrund ab. Zurückhaltende Parallelschraffuren und einzelne Punkte deuten die Falten an der Kapuze seines schwarz zu denkenden Habits nur an. Intensiver hat Cranach am Antlitz gearbeitet. Der Kontrast zwischen beleuchteten und verschatteten Partien ist stark und betont die Gesichtsknochen des hageren Mannes. Entsprechend den Porträtkonventionen ist am unteren Ende eine Inschriftentafel eingefügt. Hier weist der geflügelte Drachen (Cranachs Wappentier) bildhaft, der lateinische Zweizeiler textlich auf Cranachs Autorschaft hin – in der Übersetzung: „Ein ewiges Abbild seines Geistes brachte Luther selbst zum Ausdruck, Lucas zeichnete das vergängliche Gesicht.“

Dieser erste Entwurf hat sich nur in wenigen Abdrucken, in der Mehrzahl aus dem späten 16. Jahrhundert, erhalten.
Cranachs zweiter Entwurf fand hingegen eine weite Verbreitung. Die verschatteten, scharfen Kanten in Luthers Gesicht sind einer gewissen Milde gewichen, wodurch auch die Augen mehr zu ‚sprechen‘ scheinen. Der größere Ausschnitt ermöglicht zudem, eine aktive Körpersprache zu zeigen. Der linke Arm erhebt sich im Sprechgestus. Die Basis von Luthers Predigt ist als Attribut hinzugefügt: ein Buch, das man sicher als Bibel deutsche darf. Kontrastreich hinterfangen wird die Figur durch eine Nische, die Zeitgenossen als profanes Ehrenzeichen verstehen, aber auch mit Heiligendarstellungen assoziieren konnten. Was die Komposition damit, gewollt oder ungewollt, nur angedeutet hat, führten flugs angefertigte Kopien von Cranachs Kupferstich. Wir kennen Versionen, u.a. von Hans Baldung Grien, auf denen Luther einem Evangelisten gleich von einer Gloriole hinterfangen wird, welche – sicher nicht nur – Nuntius Aleander als skandalösen Heiligenschein aufgefasst hat.
In Schotts Ausgaben von De captivitate erscheint als Frontispiz Baldung Griens Holzschnittkopie des verbreiteten zweiten Kupferstichs von Lucas Cranach. Die Halbfigur ist hier allerdings nicht in eine halbrunde Wandnische gesetzt, sondern (perspektivisch verzerrt) in die Laibung einer Maueröffnung mit Segmentbogenabschluss. Die seitenverkehrte Darstellung gegenüber der Vorlage ergibt sich dadurch, dass der Formschneider von der Vorlage unmittelbar auf den Druckstock kopierte.

Almut Polmer-Schmidt: Auf dem Weg zum Heiligen? Frühreformatorische Lutherbilder , in: Ritter! Tod! Teufel? Franz von Sickingen und die Reformation / Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Evangelisch-Theologische Fakultät, Wolfgang Breul , u. Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (Hrsg.), 1. Auflage, Regensburg 2015, S. 171-173

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